So sind die Viehscheide im Allgäu entstanden

Dazu habe ich mir extra das Buch „Sonthofen im Wandel der Geschichte“ besorgt. Darin wird detailliert auf die Entstehung der Märkte von Sonthofen eingegangen.

Und siehe da. Es ist wie beim Oktoberfest: Die Märkte gehen auf die Bauernkultur zurück.

Eine Fehde aus den Jahren 1585 bis 1595 ist dazu sehr aufschlussreich. Im Jahr 1585 wurde der gregorianische Kalender eingeführt. Dieser zählte rund 10 Tage schneller als der alte julianische Kalender. Und der damalige Fürst der Pflege Rettenberg, wo Sonthofen dazu gehörte, der Bischof Marquard von Augsburg verfügte, dass sofort, also 1585, der neue Kalender angewandt wurde.

Das hatte gravierende Auswirkungen auf die Alpwirtschaft, denn seit dem Mittelalter wurde am 6. September der Mangenmarkt (Jahrtag des heiligen Magnus) abgehalten. Und dazu wurde von den ganzen Alpen das Vieh abgetrieben zu diesem Markt. Es war in der damaligen Zeit nämlich nicht so wie heute, dass das Vieh in die heimischen Ställe kam. Sondern es wurde direkt auf dem Markt verkauft. Da aber nach dem neuen gregorianischen Kalender der 6. September eigentlich der 26. August war, waren die Weidegründe auf den Alpen nicht aufgebraucht und auch die Felder rund um Sonthofen waren nicht abgeerntet. Deshalb sträubten sich die Untertanen.

Der bischöfliche Fürst nahm darauf keine Rücksicht und befahl seinen Untertanen zu gehorchen. Die herrschaftlichen Nachbarn auf der anderen Seite der Iller, die Rotenfelser, nutzten diese Willkür und boten einen Konkurrenzmarkt in Immenstadt zum alten Termin an. Der Streit eskalierte in den Jahren bis 1595, teilweise sogar mit bewaffneten Überfällen. Am Ende musste der Bischof klein beigeben. Der große Viehmarkt von Sonthofen wurde auf den 14.September verlegt.

Durch die Streitereien wurde sehr viel von den Gepflogenheiten dazu in Urkunden erwähnt. Somit blieben gute Beschreibungen und auch nachvollziehbare Zahlen der Nachwelt erhalten. Demnach dauerte der Viehmarkt immer 5 Tage. Das Vieh mit ihren Hirten lagerten teilweise mitten in der Stadt. Solange, bis die Tiere Käufer fanden. Die Käufer kamen oft von weit her: Von Graubünden, von Würtemberg bis an den Oberrhein und den freien Reichsstädtenen. Es sollen etwa 1000 Stück Vieh und 200 Pferde, allein von den hochstiftlichen Alpen rechts der Iller aufgetrieben worden sein. Diese Zahl ist gewaltig, wenn man bedenkt, dass Sonthofen damals vielleicht nicht einmal 1000 Einwohner hatte.

Vielleicht kann man ein wenig die Stimmung nachvollziehen, welche auf diesen Märkten herrschte. Wenn die Alphirten, welche einsam und allein 100 bis 120 Tage hart auf Ihren Alpen gearbeitet hatten plötzlich mit Ihren Tieren in eine wuselige Stadt kamen. Und der Verkauf der Tiere ihnen sogar noch Geld an die Hand gab…. Aber, wie „verschissen“ die Gassen nach 5 Tagen Viehtrieb waren, das kann man sich wohl heute kaum mehr vorstellen.

Mit dem Ende der bischöflichen Herrschaft im Jahr 1806 durch die napolionische Sekularisation verschwand auch der große 5-tägige Viehmarkt aus Sonthofen. Denn die Untertanen konnten danach selbst entscheiden, wann und wo sie ihr Vieh von den Alpen abtrieben. In der Folge entstanden nun überall die Viehscheide in den Orten selbst. Sonthofen hat heute gar keinen Viehmarkt und auch keinen Viehscheid mehr.

Es blieb die Freude der Menschen, den Ende des Alpsommers gebührend zu feiern – bis heute!

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